.26. November-Etüden
Wenn ich mir ein Haus bin, so war ich in letzter Zeit oft abwesend, ausgegangen, wohin? Meine Seelenheimat, sagt Bella, Johannes war meine Seelenheimat. Es ist sehr gut denkbar, daß die Herrlichkeit des Lebens um jeden und immer in ihrer ganzen Fülle bereit liegt, aber verhängt, in der Tiefe, unsichtbar, sehr weit. Aber sie liegt […]
.25. Den Nektar sehen
Beinahe, dachte ich verwundert, habe ich vergessen, was Laufen ist. Laufen auf Waldboden oder einen Sandweg entlang, auf einem Feldweg, neben dem Flüsschen mit seinen Enten und Bibern und den dicht unter der Oberfläche dahintreibenden Opheliahaaren. An den heißen Tagen eher Schwimmen als Laufen, dann war auch das Schwimmen im trüben lauwarmen und von stachligen […]
.24. Zuviel Welt
Längere Zeit glaubte ich, ich würde an einer besonderen Geräuschempfindlichkeit leiden, Hyperacusis, aber dies war nur eins von vielen Symptomen, die Menschen befallen, deren Gehirne über eine gering ausgeprägte Filterfunktion verfügen. Das hat zur Folge, dass mehr Reize durchgelassen und verarbeitet werden müssen, als einem lieb und möglich ist. Und damit verbunden ist die permanente […]
.23. Von Tag zu Tag
Montag Da hab ich den Pirol gehört. Ich kann viel behaupten. In Wahrheit kann ich außer Amsel, Drossel, Fink und Star keinen Vogelsang vom anderen unterscheiden. Krähe erkenne ich noch, Elster an ihrem Gezeter – das zählt nicht. Ich weiß nicht, welchen Vogel ich hörte, aber es war außerordentlich zu Herzen gehend seltsam schön. […]
.22. In Wahrheit
Aus der Straßenbahn strömen Menschen in Richtung S-Bahn. Eine junge Frau, vielleicht Mitte zwanzig, führt einen kleinen Jungen an der Hand, vier oder fünf Jahre alt. Je nachdem, wo sie herkommen, sind sie zwischen zwanzig und dreißig Minuten mit der Bahn unterwegs gewesen, dazu der Gang zur Haltestelle. Also haben sie gewiss vor sieben Uhr […]
.21. Auf eigenen Füßen
Seit einiger Zeit neige ich dazu, vornüberzukippen, wenn ich mich bücke, im Knien, aus der Hocke. Das ist nicht schlimm, die Fallhöhe gering, aber es reicht, sich ein paar Knochen anzuschlagen, die Hand zu verstauchen, sich die Seite oder den Rücken zu verrenken. Ich fiel in Rosengruben, kopfüber in den Johannisbeerstrauch, ich landete in der […]
.20. Hängende Gärten
Heute war es vor sieben, als ich mit dem Fahrrad zum See gefahren bin; leere Straßen, schlafende Stadt. Ich treibe auf dem Rücken liegend im Wasser und gucke in einen in blassblauen und grauen Tönen mit Weiss durchzogenen marmorierten Himmel, bis ich mich aufgesogen fühle von Licht und Zeitlosigkeit. In Gegenwart von Enten, Schwänen und […]
.19. Wunderlich
Als ich begann, war alt sein in Zeiten von C das Thema, aber das Altsein hat sich an den Rand geschlichen, anderes war grad vordergründig; in meinem Kopf schaukeln so viele Geschichten – welcher Impuls entscheidet, welch eine sich in den Vordergrund erhebt. Es scheint doch einfacher gewesen zu sein, über das Alter meiner Großmutter […]
.18. Generationen oder: Die Schwäne fliegen ein
Im ersten Moment könnte man meinen, in der Reihenfolge fehle eine Generation, die nämlich zwischen meiner Mutter und den beiden alten Damen, eine etwa Fünfzigjährige. Aber tatsächlich ist die Greisin, auf deren Schoß ich an meinem ersten Geburtstag sitze, nicht neunzig, sondern in den Siebzigern, so alt wie ich heute. Und meine Großmutter neben ihr […]
.17. Höhlen
Am späten Abend trug ich meine Bettdecke zum Balkonbett, streckte mich darunter aus und ließ mir inmitten von Blumen und duftenden Küchenkräutern, Salatpflanzen, rotem Mangold und hängenden Erdbeeren den kühlen Wind übers Gesicht fahren: Welch eine Köstlichkeit! Ich erinnere mich der letztjährigen heißen Sommernächte. Wenn dann eine leichte Brise über einen hinweg geht nach einem […]